Was bedeutet Growth Hacking?
Growth Hacking setzt sich zusammen aus den beiden Wörtern „Wachstum“ und „Hacking“. Ein Hacker ist eine Person, die ein bestimmtes Ziel erreichen möchte und sich dafür nicht auf eine vorgeschriebene Methode beruft. Er interessiert sich mehr für den Inhalt seiner Erledigung, als dessen Form.
So entwickeln Hacker oftmals innovative Vorgehensweisen für die Bewältigung von Aufgaben (Griffel, 2012). Dabei nutzen sie auf clevere Weise, welche Mittel sie zur Verfügung haben und schaffen Lösungen, welche die meisten übersehen hätten
Growth Hacking mit Strategie
Growth Hacker betreiben kein Marketing im engeren Sinne, sondern bringen Unternehmen sehr schnell zum Wachstum. Dabei machen sie innerhalb eines äußerst knappen Zeitfensters aus nichts etwas Enormes.
Sie sind daher im Prinzip Marketer, welche unterschiedliche Herausforderungen in Angriff nehmen und dafür andere Werkzeuge zur Verfügung haben als traditionelle Marketer. Sie nutzen analytisches Denken, Produktentwicklung und Kreativität, um die Kennzahlen ihres Unternehmens deutlich zu verbessern.
Daher beinhaltet das Berufsfeld, dass bspw. Kodieren und technische Fähigkeiten ein essentieller Teil des Marketingberufs sind.
Wie entstand Growth Hacking?
Der Begriff wurde von Sean Ellis im Jahr 2010 in einem seiner Blogposts geprägt. Zu dieser Zeit hatte er bereits vielen Online-Start-Ups zu Wachstum verholfen und sogar einige Börsengänge ermöglicht. Er entwickelte Systeme, Prozesse und Denkweisen, die aufrechterhalten werden konnten, nachdem er die Unternehmen verlies.
Dann übergab er die Aufgabe an jemand anderen. So erhielt er bei der Suche nach seinen Nachfolgern Lebensläufe von Marketingexperten, mit Abschlüssen, Berufserfahrung und Kompetenzen.
Diese Fähigkeiten reichten ihm jedoch nicht aus, um seine Position zu besetzen, da seine Arbeit nicht lediglich aus Marketing Methoden bestand. Vielmehr bediente er sich eines auf Daten beruhenden Test- und Messverfahrens, mit dem er in der Lage war Menschen zu erreichen, zu Kunden umzuwandeln und sie zu binden.
Brauchen Start-Ups kein Marketing?
Start-Ups zu, welche kein Marketing Team, Pläne oder strategische Ziele brauchen, benötigen vor allem eins: Wachstum („Growth“).Deshalb fing Ellis damals an auf seinem Blog Stellen für Growth Hacker in Start-Up Unternehmen auszuschreiben.
Growth Hacking ist laut Gagan Biyani, Mitgründer von Udemy, darauf ausgelegt drei Herausforderungen in Gründungsunternehmen zu bewältigen. Dazu zählt zum einen die extreme Ungewissheit, sowohl über Kunden, Märkte und die Wahl der Absatzkanäle, zum anderen die schlechte Ressourcensituation und die geringe Bekanntheit und Reichweite.
Unternehmenswachstum in Start-Ups
Der Beruf des Growth Hackers beinhaltet das Eingehen auf die enorme Skalierbarkeit von Start-Ups, welche 20% im Monat (gegenüber 5% bei etablierten Unternehmen) anstreben können.
Jedoch ist Growth Hacking, laut Ellis , nicht lediglich für Start-Ups ausgelegt. Vielmehr sollten auch traditionelle Marketer das Risiko von innovativen, Regel-brechenden Maßnahmen eingehen, um Wachstum anzutreiben. Doch dabei mangelt es ihnen zumeist an Motivation und an dem Bedürfnis Änderungen in bestehenden Systemen vorzunehmen. Im Unterschied zu Start-Ups sind etablierte Unternehmen selten offen für das Eingehen von Risiken.
Was ist Growth Hacking?
Das Feld des Growth Hacking umfasst weniger direkte Methoden, sondern ist vielmehr eine Philosophie. Es handelt sich um einen Ansatz, der an der Schnittstelle zwischen Marketing Taktiken und Produktentwicklung liegt und von Analysen und Daten inspiriert wird – ein konstantes Testen, Messen und Verfeinern.
Statt Geld und Massenwerbung setzt ein Growth Hacker Emails, PPC-Werbung[1], Blogs und Plattform-APIs[2] ein, um Wachstum zu generieren. Dabei steht vor allem die Nutzerzahl im Fokus.
Je mehr Nutzer ein System oder ein Produkt hat, desto mehr werden sie andere Nutzer dazu animieren sich zu registrieren, zu folgen, zu kaufen oder wiederum andere Nutzer zu animieren .Mit dem Engagement der Nutzer wächst auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie Freunde, Familie, professionelle Kontakte und Gleichgesinnte auf ihre jeweilige Gemeinschaft[3] verweisen.
Growth Hacker versuchen also sich selbst erhaltende und propagierende Systeme zu schaffen, mit denen Start-Ups Wachstum generieren (Holiday, 2014, S. 22) und bei erfolgreicher Umsetzung von Null zu Millionen Nutzern innerhalb weniger Jahre wachsen können.
Wie arbeiten Growth Hacker?
Im Folgenden sollen nun einige Instrumente, welche im Zuge des Growth Hacking entwickelt wurden, vorgestellt werden. Sie existierten zuweilen nicht in traditionellem Marketing und mit der Zeit vergrößert sich die Kluft zwischen den beiden Disziplinen.
Dies liegt unter anderem darin begründet, dass sich bspw. Produkte von Online-Pure-Playern[4] (vom physischen zum nicht ertastbaren online Produkt oder Service) und die Distribution (von der lokalen Standortwahl zur online-Platzierung und Suchmaschinenoptimierung) im Zuge der Digitalisierung deutlich verändert haben.
Daher ergibt sich eine revolutionäre Ansicht bezüglich des Wachstums in Online Start-Ups, das mithilfe von angemessenen Methoden erreicht werden muss. Um diese herauszukristallisieren muss der Mehrwert der Lösung, welche das Unternehmen anbietet, aus der Sicht der Kunden herausgefunden warden.
Wie funktioniert Growth Hacking?
Um den Mehrwert für die Kunden herauszufinden, testen und optimieren Growth Hacker regelmäßig ihre Hacks. Auf diese Weise können außerdem Produkte ermittelt, welche die Zielgruppe wirklich benötigt.
Laut Chen ist Wachstum ein Nebeneffekt eines starken Produkts und einer guten Distribution. Ist dies gegeben, so werden die Kunden angezogen, wofür bei einer stimmigen Passung von Produkt und Markt oftmals weder ein erhebliches Budget, noch eine aufwändige Kampagne oder eine feierliche Eröffnung notwendig ist.
Stattdessen versuchen Growth Hacker ihre Verkaufsförderung günstig, effektiv und zumeist in einzigartiger Weise durchzuführen
Wie findet man nun den passenden Hack, mit dem schnelles Wachstum erreicht werden kann?
In der ziemlich jungen Literatur zu diesem Thema gibt es dazu bisher keine Anleitung. Das Augenmerk scheint auf Kreativität zu liegen, mit der stets neue Wege gefunden werden sollen, das Wachstum eines Start-Ups zu beschleunigen.
Problematisch ist bei bestimmten Taktiken, dass sie im Laufe der Zeit nutzlos werden, da immer mehr Akteure sie verwenden. Um die Vorteile vollkommen ausnutzen zu können, müssen also Dinge getan werden, die sonst keiner tut. Es lassen sich folgende Methoden beispielhaft nennen:
- Content Marketing: Mit relevanten Inhalten, wie Videos, Neuigkeiten oder Infografiken bspw. innerhalb eines Blogs lassen sich viele Besucher anlocken, welche zu Kunden oder Nutzern werden könnten .
- E-mail Marketing: Dadurch lassen sich Kunden oder Nutzer eingebidnen und dazu verleiten, mehr Geld für Produkte des Unternehmens zu investieren. Es gilt als die effektivste Lead-Generation-Technik[5], da die Zahl aktiver Mail Nutzer, die von Mitgliedern in sozialen Medien um das Dreifache übersteigt.
- Bezahlte Werbung und Akquise :Es existieren viele Methoden der bezahlten Akquise, zu denen SEM (Google AdWords, Facebook-Werbung, Mobilwerbung), Radio, TV, OOH gehören.
- Viralität und Weiterempfehlung: Unternehmen nutzen erfolgreich Empfehlungsprogramme, um ihre Reichweite, Kundenzahl und Interessenten zu erhöhen.
Durch den wirksamen Einsatz bestimmter Produkteigenschaften können bestehende Kunden ebenfalls dazu angeregt werden, das Produkt mit ihrem Umfeld zu teilen und Aufmerksamkeit zu erregen.
- SEO: Es ist teil des Hacking von anderen Plattformen, deren Erfolg zu dem eigenen Unternehmenserfolg beitragen kann, indem Reichweite ausgenutzt wird.
Durch das Implementieren von Inhalten (Blogs, Podcasts, Ebooks, Anleitungen, Grafiken, Webinare etc.) wird man bei Suchmaschinen für bestimmte Suchwörter hoch eingeordnet, da die jeweilige Plattform die Autorität des Unternehmens bei bestimmten Themen anerkennt. Auch Infrastruktur der eigenen Webseite und Verweise zu und von anderen Seiten verbessern den Rang bei Suchmaschinen.
- Analyse und Testen: Growth Hacking ist äußerst fokussiert auf Daten. Ist man in der Lage diese (bspw. mithilfe von externen Dienstleistern) adäquat zu messen und zu interpretieren, so kann man sein Wachstum deutlich fördern.
Dabei beziehen sich Daten nicht nur auf Zahlen, sondern Informationen über die Leistung der Inhalte, Kundenakquise, Kundendaten und viele mehr. Aufgrund tiefgehender Analysen können Prioritäten besser gesetzt, Erfolg wiederholbar gemacht und informierte Entscheidungen über die Zukunft anhand von Daten aus der Vergangenheit getroffen, wurden.
Growth Hacking bei Dropbox
Ein bekanntes Erfolgsbeispiel eines Growth Hacking Start-Ups ist die Firma Dropbox, ein anfänglich kostenloser File-Sharing[6] Dienstleister mit Cloud-Funktion, der heute mehr als 500 Millionen Nutzer verzeichnen kann.
In ihrer Wachstumsphase war auch Sean Ellis als Marketer angestellt. Er kaufte jedoch keine Werbeflächen, sondern kreierte Kampagnen, die die Nutzer dazu brachten spezifische und messbare Aktionen auszuführen. Anfänglich engagierten sie keine professionellen Produktionsfirmen, sondern drehten ihre Werbevideos, die viel Humor beinhalteten, selbst.
Dies erregte viel Aufmerksamkeit und erhöhte die Zahl der potentiellen Nutzer über Nacht drastisch. Ab dann konnten sie Weiterempfehlung und Reichweite enorm erhöhen, indem sie Nutzern Anreize in Form von kostenlosem Speicher boten, damit diese ihren Dienst in ihrem Umfeld teilten. So erhält man noch heute einen hohen Bonus, wenn man neue Mitglieder wirbt und das Dropbox-Konto mit sozialen Medien, wie Twitter und Facebook verknüpft.
[1] dt. pay-per-click-Werbung: Bezieht sich auf online Werbeanzeigen, welche keine Fixkosten verursachen, sondern pro Klick des Konsumenten abgerechnet werden.
[2] Plattform-APIs sind Programmiererschnittstellen für die Integration von externen Applikationen oder Plug-Ins, in den Seitenaufbau einer anderen Plattform. Bekannte Beispiele sind die API von Facebook, die als Platform Enabled Website gilt (Gründerszene Lexikon, o. J.)
[3] frei übersetzt vom englischen „community“
[4] frei übersetzt bezeichnet es solche Unternehmen, welche ausschliesslich online agieren und keine stationären Verkaufspunkte aufweisen.
[5] Lead ist die englische Bezeichnung für potentielle Kunden und deren Kontaktdaten. Generation bedeutet, dass diese Daten durch bestimmte Techniken gesammelt (generiert) werden.
[6] dt. Dateienaustausch
Quellen:
Biyani, G. (5. Mai 2013): Explained: The actual difference between growth hacking and marketing (Blogeintrag), letzter Zugriff: 02.09.2016, unter: http://thenextweb.com/insider/2013/05/05/the-actual-difference-between-growth-hacking-and-marketing-explained/
Carfi, C., Hermann, F. (2016): The Beginner’s Guide to Growth Hacking – A guide to growing your user base and revenues with lean marketing (Ebook), letzter Zugriff: 02.09.2016, unter: http://frederikhermann.com/uploads/beginners_guide_to_growth_hacking.pdf
Chen, A. (o. J.): Growth Hacker is the new VP Marketing, letzter Zugriff: 02.09.2016, unter: http://andrewchen.co/how-to-be-a-growth-hacker-an-airbnbcraigslist-case-study/
Megahan, J. (2016): Andrew Chen on the state of growth hacking (Blogeintrag zu Vortrag von Andrew Chen), letzter Zugriff: 03.09.2016, unter: https://blog.mixpanel.com/2016/03/16/andrew-chen-and-the-state-of-growth-hacking/
Ellis, S. (05.10.2012): The Risks of Growth Hacking and How to Build Authentic Sustainable Growth, letzter Zugriff: 02.09.2016, unter: http://www.startup-marketing.com/authentic-growth-hacks/
Ellis, S. (24.01.2014): Growth Hacking is for Smart Marketers – Not just Startups, letzter Zugriff: 02.09.2016, unter: http://www.startup-marketing.com/is-growth-hacking-only-a-startup-thing/
Geru, M., Rusu, E., Capatina, A. (2014): Growth Hacking Practices in a Start-Up: A Case Study on thecon.ro, in: International Conference “Risk in Contemporary Economy”, Ausgabe 15, Dunarea de Jos, University of Galati, Rumänien
Griffel, 2012
Holiday, R. (2014): Growth Hacker Marketing – A Primer on the Future of PR, Marketing, and Advertising, 2. Auflage, Profile Books Ltd., London
Newlands, M. (06.08.2014): 4 Unbeatable Growth Hacking Strategies for Startups – Build your brand audience efficiently and effectively with these top growth hacking strategies (Artikel), letzter Zugriff: 30.08.2016, unter: http://www.inc.com/murray-newlands/4-unbeatable-growth-hacking-strategies-for-startups.html
Patel, N. (06.01.2015): 6 Growth Hack Techniques You Can Try Today, letzter Zugriff: 04.09.2016, unter: https://www.entrepreneur.com/article/241142
Patel, N. (2016): 8 (More) Absolutely Brilliant Content Marketing Innovations From the World’s Best Brands, Content Marketing Institute, vom 11.07.2016, letzter Zugriff: 28.08.2016, unter: http://contentmarketinginstitute.com/2016/07/content-marketing-best-brands/
Patel, N., Taylor, B. (2015): The definitive Guide to Growth Hacking, Anleitung, letzter Zugriff: 02.09.2016, unter: https://www.quicksprout.com/the-definitive-guide-to-growth-hacking/
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